Motivierende  Übungen im Französischunterricht der Mittelstufe

 Waltraud Beck

Klasse:         9   Französisch  als 2. Fremdsprache
Lehrbuch:     Découvertes III, grüne Ausgabe

Da das französische Konditional und sein Gebrauch in den Bedingungssätzen der Klasse schwerfiel, teilte ich im Anschluß an Lektion 5, in der das conditionnel eingeführt wird, ein Blatt mit folgenden Aufgaben aus:

  

Exercices de créativité      

 

  1.  Qu'est-ce qui se passerait si, un jour, Schwäbisch Gmünd se trouvait tout à coup au bord de la mer?  
      

  2.  Qu'est-ce que tu ferais si, un matin, tu te réveillais et tu découvrais que tu as 40 ans?
      

  3.  Qu'est-ce que tu ferais si tu gagnais un million?
      

  4.  Comment vivrions-nous si ni le feu ni l'électricité n'existait?
      

  5.  Quels changements y aurait-il s'il n'y avait pas de véhicules  (le véhicule=Fahrzeug) à moteur?
       

      Ecrivez au moins dix phrases sur un des sujets. Chacun doit remettre une propre solution.

 

Jede/r Schüler/in musste eine Frage auswählen, deren Bearbeitung er/sie im Unterricht beginnen und  zu Hause fortsetzen  sollte. Die meisten meiner 24 Mädchen und Jungen wählten die Aufgabe 3, je eine/r die Fragen 1, 4 und 5. Ich fand es zwar etwas bedauerlich, dass die anderen Themen kein Interesse fanden und die meisten in der Million "schwelgten", aber die verfassten Phantasiereisen entschädigten mich durch ihre interessante Vielfalt. Ich korrigierte die Kurzberichte, damit beim Einprägen für den mündlichen Vortrag, was als nächster Schritt vorgesehen war, sich keine Fehler festsetzten. Da nicht alle gleichzeitig abgaben und ich einen Teil der Erzählungen im Unterricht durchsehen konnte, während die Klasse Übungen in Partner- oder Gruppenarbeit machte, hielt sich der Korrekturaufwand in Grenzen  -  ein Gesichtspunkt, der ja bei der Entscheidung für alternative Methoden gewiss eine nicht geringe Rolle spielt. Durch die häufige Anwendung des imparfait im Bedingungssatz und des conditionnel im Hauptsatz in selbst erdachten Sätzen festigten sich diese Strukturen besser als bei vorgegebenen Übungen, die oft die Gefahr der rein mechanischen Verwendung in sich bergen.

Außerdem wollte ich die Klasse, die im Allgemeinen ganz fleißig ist, aber bei Übungen im Buch, die über die Reproduktion hinausgehen und  Phantasie und Reflexion erfordern, sich etwas träge zeigte, zur Kreativität anregen. Hier wurde wieder einmal deutlich, dass Schüler/innen dann, wenn ihre persönlichen Interessen gefragt sind, durchaus bereit sind, sich anzustrengen. Es wurden viele hübsche Kurzberichte geschrieben, an deren Lektüre ich Freude hatte.

Der nächste Schritt war der freie Vortrag vor der Klasse, womit ein weiteres Lernziel, nämlich etwas präsentieren können, abgedeckt wird. Natürlich lernten alle ihren Text auswendig, denn völlig freies Sprechen über ein anspruchsvolleres Thema ohne vorherige schriftliche Niederlegung  kann man auf dieser Stufe noch nicht erwarten. Meines Erachtens ist aber auch dieses Verfahren ein Schritt auf dem Weg zum mündlichen Vortrag.

Am Anfang jeder Stunde wurden drei Schüler/innen aufgerufen, die nacheinander vor die Klasse traten, Vokabeln, die den anderen unbekannt waren, an die Tafel schrieben, erklärten und danach erzählten. Auf keinen Fall darf der Bericht natürlich herunter- geleiert werden, sondern Verständlichkeit ist oberstes Gebot. Wenn die Klasse nicht verstand, musste wiederholt werden. Mit einigen Fragen im Anschluss ließ sich leicht feststellen, ob der Vortrag "angekommen" war.

Das Experiment gelang gut. Gerade manche nicht so leistungsstarke Schüler/innen stellten ihre Gedanken zum Thema  recht ansprechend vor. 

Mit dieser Übung kann man dreierlei erreichen: Festigung der Bedingungssätze, Förderung der Kreativität und Stärkung des Selbstbewußtseins und Selbstvertrauens durch den freien Vortrag vor der Klasse.

Freies Erzählen lässt sich auch gut bei manchen Lektionen des Lehrbuchs einüben. Lektion 6B  von  Découvertes III  handelt vom Besuch eines jungen Mädchens bei einem jungen Belgier, was hauptsächlich in Dialogform gebracht wird. Da im Anschluss an 6A einige Schüler/innen den Wunsch äußerten, selbst bandes dessinées zu entwerfen, gestaltete ich die Verteilung der Aufgaben folgendermaßen:

                         3 Gruppen von je zwei bis drei widmeten sich den Comics, einige bereiteten die Grammatikerklärung vor (das Relativpronom lequel und die indirekte Rede), und weitere drei Gruppen sollten den Dialog in einen Bericht umformen, um ihn später der Klasse mündlich zu präsentieren.  Der Anteil, der dabei auf jeden entfiel, war nicht sehr umfangreich und auch von Schwächeren gut zu bewältigen. Sie schrieben zunächst die neuen Vokabeln auf Folie, gestalteten ihr Dialogstück  in der dritten Person  und prägten es sich zu Hause ein. Der freie Vortrag vor der Klasse sollte so sein, dass alle, ohne das Buch zu öffnen, den Inhalt verstanden.

Ein Problem trat hier noch stärker als bei den vorherigen Berichten in Erscheinung: die Aussprache mancher Mädchen und Jungen ist alles andere als gut verständlich. Ich verbesserte daher ihre Fehler und Undeutlichkeiten während des Vortrags und ließ die Sätze so lange wiederholen, bis die Klassenkameraden sie begriffen hatten. Das hatte einerseits einen zusätzlichen Lerneffekt:  die Schüler/innen sahen hierbei besser als wenn sie im Unterricht ein Stück vorzulesen haben und die Korrektur des Lehrers bisweilen lästig finden, ein, wie wichtig gute Aussprache für das Verständnis des Inhalts ist. Andererseits kann es sich für manche nachteilig auswirken: bei der  Befragung über die Methode, die ich später durchführte,  schrieb nämlich eine Schülerin, dass  die Unterbrechung sie nervös gemacht habe und eine nachträgliche Korrektur besser sei; nur geht das wieder auf Kosten der Verständlichkeit! Ich würde daher ein anderes Mal bei diesem Verfahren einzeln mit den Schüler/innen vorher ihren Part üben.

 Nach der Darbietung stellten dieselben Schüler, die vorgetragen hatten, ein paar Fragen, und erst dann ließ ich sie die Lektion von der CD hören.

Die drei Gruppen, die Comics entwarfen,  präsentierten  ihre  Zeichnungen  nach Fertigstellung auf dem Tageslichtprojektor und gaben einen Kommentar dazu - natürlich auf französisch. Eine  Gruppe hatte sogar ein Potpourri  aus verschiedenen klassischen Musikstücken zusammengestellt und auf  Kassette überspielt, die sie zu den Zeichnungen erklingen ließ. Das sollte die "Dramatik"  steigern. Am besten kamen bei den Klassenkameraden natürlich  die bandes dessinées mit Mme B. an. (s. Anlage) 

Bei Lektion 7 wandte ich das bei Lektion 6B erprobte Verfahren auch an, damit alle 24 Schüler/innen wenigstens einmal mit solch einer Nacherzählung beauftragt werden konnten. Von 7A, B und C bekamen je zwei Schüler/innen ein Textstück von etwa 15 bis 20 Zeilen Länge, das sie aufbereiten mussten, d.h.: neue Vokabeln entweder auf  Folie oder, wenn es nur wenige waren, vor dem Vortrag an die Tafel  schreiben und  erklären, den Text schriftlich etwas umformen - natürlich nicht ohne meine vorherige Korrektur - und sich aneignen. Beide Schüler/innen trugen denselben Text nacheinander frei vor der Klasse vor und stellten einige vorbereitete Fragen dazu. Wenn keine Antwort aus der Klasse kam, mussten sie wiederholen. Danach wurde erst der Tonträger eingesetzt.

Abgesehen von der schwer verständlichen Aussprache mancher Schüler/innen war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ich habe sie auf diese Weise immer wieder zum zusammenhängenden Sprechen angeregt, und die Schüler haben alle bereitwillig mitgemacht. Natürlich waren die beschriebenen Übungen nicht die einzigen dieser Art während des Schuljahres. Der größte Teil des Unterrichts erfogte mit der Methode LdL, selbstverständlich auch die Grammatikeinführungen und die im Buch angebotenen exercices.

Um mir keine Illusionen bezüglich der Motivation zu machen, bat ich die Schüler, ihre  Meinung zu  den  beschriebenen  Übungen zu  notieren und mir zu geben bzw. auch Sonstiges anzuführen, was sie sie gut oder schlecht gefunden hätten.   Da ich ihnen erlaubte,  zu zweit oder zu mehreren die Notizen zu machen, kann ich natürlich keine genaue Statistik erstellen. Der Tenor war:

Die überwiegende Mehrheit fand die exercices de créativité gut. Das Verfassen der Comics gefiel besonders den Beteiligten, das Vortragen der Lektionen etwa der Hälfte; das Auswendiglernen wurde von einigen als zwar aufwendig, aber nützlich angesehen.

Über die Hälfte schrieb hin, dass generell "LdL  gut, super, nützlich und interessant sei und eine sinnvolle und lehrreiche Abwechslung zum banalen Unterricht darstelle".

Eine mündliche Befragung zur Methode - ohne meine Anwesenheit - hatte ich schon einmal mitten im Schuljahr gemacht, wobei LdL absolut den Vorrang vor anderen Methoden, auch dem Lernzirkel, bekam.

Ich kann allen Romanisten nur dringend empfehlen, vom Frontalunterricht weg,  auf jeden Fall zu Methoden, die die Schüler aktivieren, zu gehen. Die Akzeptanz, die bei mir  LdL in bisher jeder Klasse gefunden hat,  spricht wirklich dafür. Wenn wir weiterhin Schüler für Französisch  gewinnen bzw. sie dabei halten wollen - und das hat das Fach dringend nötig - , ist eine didaktisch-methodische Neubesinnung unbedingt erforderlich. 

                                                                                                               Waltraud Beck
                                               
                                                               Schwäbisch Gmünd
                                                                                                               Juli 2000