Waltraud Beck                                                                                                                                                    6.9.1996
Schwäbisch Gmünd

Lieber Jean-Pol Martin,

anbei schicke ich Ihnen zwei Artikel, die Schülerinnen der 9.Klasse für die Schrift zu unserem 25jährigen Jubiläum verfaßt haben. Diese Klasse ist bisher mein dankbarster und erfolgreichster "Abnehmer" von LdL. Dank LdL konnte ich z.B. schon ab Februar des ersten Französischjahres in der Klassenarbeit Fragen zur Lektion stellen, und in der letzten Arbeit gab ich den Schülern nur noch zwei Fragen zu zwei Texten einer Unité, wozu sie bereits einen kleinen Aufsatz schrieben. Das Ergebnis war beide Male recht gut.

Auch in meinen anderen Klassen ist LdL großenteils zur Selbstverständlichkeit geworden. Besondere Erwähnung verdient der Einsatz in einer 11.Klasse (16 Schüler), Latein 2. Fremdsprache, die ich 1995 in einer recht ungünstigen Lage übernommen hatte: die Schüler hatten keine Lust mehr zum Fach, hatten im vorhergehenden Jahr dem Kollegen die Mitarbeit und das Anfertigen von Hausaufgaben verweigert und trauten sich natürlich auch nichts mehr zu. Um sie wieder zum Vokabellernen zu ermuntern, wählte ich statt der ungeliebten Wortkunde ein LEU-Heft( LEU = Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart) von M. Mader "Grundwortschatz im Kontext", in dem der Grundwortschatz von 1500 Vokabeln in Sinnsprüchen, Versen, kleinen Inschriften, Wortkombinationen und Formeln geboten wird. Da dies den Schülern viel leichter fiel als die Vokabeln der Wortkunde, lernten auch die meisten die Wendungen, und diese blieben besser im Gedächtnis haften als isolierte Wörter. Das Abfragen erfolgte auch öfters durch Schüler. Die Wiederholung einiger Grammatikkapitel delegierte ich ebenfalls an sie. Die Übersetzung - am Anfang die vereinfachte Fassung einer Cicerorede - ließ ich meistens in Gruppenarbeit anfertigen und ging währenddessen von Gruppe zu Gruppe, um zu helfen und Fragen zu klären, wobei ich darauf achtete, daß in jeder mindestens ein guter Schüler vertreten war. So war es keinem mehr möglich abzuschalten, wozu nämlich etwa ein Drittel der Klasse neigte.

Als wir zu Catull übergegangen waren, verteilte ich für die Interpretation die Fragen des Kommentars auch auf Gruppen und ließ sie im Unterricht bearbeiten, wobei natürlich meine Hilfe immer wieder nötig war. Im Anschluß daran behandelte jede Gruppe ihren Teil mit der ganzen Klasse. Die Schülerlehrer stellten sich schon beim ersten Mal erfreulich geschickt an.

Noch viel besser funktionierte dann das Verfahren beim Catilina von Saliust. Nach der Übersetzung der Charakteristik Catilinas ( Kap.5 )· ließ ich die Schülergruppen wählen, welche Fragen des Klett-Kommentars sie bearbeiten wollten, und stellte ihnen diesmal als Hilfe den Lehrerkommentar zur Verfügung. Ich hielt sie allerdings dazu an, die gedruckten Fragen zu vereinfachen oder in Unterfragen aufzuteilen, damit sie nicht vor einer stummen Klasse ständen. Bei dem folgenden für Sallusts Geschichtsauffassung so wichtigen Exkurs konnte ich natürlich nicht jedes Kapitel in dieser Ausführlichkeit von allen erarbeiten lassen, denn das Übersetzen ging aus den oben erwähnten Gründen recht schleppend; zudem stehen in der 11.Klasse nur drei Wochenstunden zur Verfügung, von denen obendrein wegen verschiedener Anlässe noch mehrere ausfielen. Ich verfuhr dann so: nach der Übersetzung eines weiteren Kapitels bekam eine Gruppe den Auftrag, die Interpretation an Hand der Kommentarfragen auszuarbeiten, während die anderen Schüler weiterübersetzten. Die Übersetzung, die der interpretierenden Gruppe fehlte, bekam sie nachträglich ausgehändigt, damit sie den Zusammenhang hatte. Da die Übersetzung den Mädchen und Jungen recht schwer fiel und ich vor allem ihnen helfen mußte und somit nur wenig Zeit für die interpretierende Gruppe aufwenden konnte - außerunterrichtliches Treffen kam wegen unserer zeitlichen Beanspruchung nicht in Frage -, gab ich den Schülern meine eigenen Ausarbeitungen, denn der Lehrerkommentar ist bei der Erklärung dieses Exkurses zu summarisch. Das mag vielleicht als zu leicht erscheinen - das glaubten zunächst auch die Schüler -, aber einmal waren meine Aufzeichnungen nicht vollständig, und außerdem mußten die Schülerlehrer sich durch meine Interpretation auch erst durcharbeiten und benötigten dazu in der Regel solange wie der Rest der Klasse für die Übersetzung des folgenden Kapitels. Beratung von meiner Seite erwies sich trotzdem noch als notwendig.

Nach Fertigstellung trat dann die Gruppe vor die Klasse und leitete die Interpretation meistens so gründlich, daß nur wenig Eingreifen meinerseits nötig war. Das Überraschendste und Erfreulichste bei diesem Verfahren war für mich der Wandel in der Arbeitshaltung der Klasse: dank dieser Methode gelang es mir, alle Schüler zur Mitarbeit zu aktivieren, auch die schlechtesten und davon gab es mehrere - , die nur daran dachten, das Latein endlich hinter sich zu bringen. Unter den Schwächeren enrwiesen sich einige als Interpretationsleiter sogar als ausgesprochen gut, hatten offensichtlich Freude an ihrer Funktion als Lehrer und wurden von der Klasse voll akzeptiert.

Ein weiterer positiver Aspekt: als ich im November 1995 über den Leistungs- und Grundkurs Latein informieren mußte, sagte die Klasse spontan, für einen LK würde sich niemand interessieren, nur eventuell für einen GK. Im März kam dann die erste Anfrage, ob ich vielleicht einen Leistungskurs mit Grundkurs zusammen unterrichten würde. Und jetzt haben wir einen vollständigen Leistungskurs mit ein paar Grundkursschülern. Diesen Erfolg schreibe ich nicht nur, aber doch zu einem Teil LdL zu.

Großartig sind die Leistungen im Verlaufe des Schuljahres nicht geworden, und es wird gewiß kein sehr leistungsstarker Lk werden, aber die Mädchen und Jungen haben Freude am Latein, und das ist für mich bei der heutigen ungünstigen Lage des Faches viel wichtiger als Glanzleistungen.

Mit herzlichen Grüßen,


BECK Waltraud, Sebaldplatz 6, 73525 Schwäbisch-Gmünd, Tel.: 07171/67883 L/F/It. Gy