Petra Rosenberg An Münster, den 23.12.1997 Lieber Herr Martin, zunächst möchte ich Ihnen von meiner erfolgreichen Anwendung Ihrer LdL-Methode berichten: In der letzten Woche, war ich so "mutig", während einer durch meinen Hauptseminarleiter und meinen Mathematikfachleiter besuchten Stunde bis auf die letzten fünf Minuten keinen Ton von mir zu geben - die Leitung der Stunde also den Schülern zu überlassen. Bei der Lerngruppe handelte es sich um einen sehr leistungsstarken Mathematik-LK der Jahrgangsstufe 13. In der ersten Stunde einer Doppelstunde erhielt eine Schülergruppe den Auftrag, sich in eine Aufgabe hohen Anforderungsgrades einzuarbeiten, wobei sie verschiedene Lösungswege erarbeiten und sich didaktisch auf die Leitung des Unterrichtsgesprächs in der nächsten Stunde (der besuchten Stunde) vorbereiten sollten. Dieses Unterrichtsgespräch, in dem sie mit ihren Mitschülern die verschiedenen Lösungswege erarbeiteten, klappte hervorragend. Sie waren stark bemüht, ihre Mitschüler durch deren eigene Denkleistungen zur Lösung des Problem zu führen. Dabei nutzten sie optimal die Medien Modell und Tafelbild. Sie bemühten sich intensiv und geduldig um Lernschwierigkeiten ihrer Mitschüler. Meinen Hauptseminarleiter beeindruckte besonders das hohe Maß an Interaktion zwischen den Schülern, welches er sonst im Fach Mathematik stark vermißt sowie der offene Umgang mit Lernschwierigkeiten unter den Schülern. Zum Schluß der Stunde diskutierte ich die Methode mit den Schülern. Die Resonanz war ebenfalls positiv. Ein Schüler aus der Gruppe der Lernenden sagte, ein Sachverhalt sei oft besser nachzuvollziehen, wenn ihn ein Schüler erkläre, der ihn sich soeben selbst klar gemacht hat und nicht der Lehrer. Die Gruppe der Lehrenden war sich einig, daß sie besser nicht hätten lernen können als durch die Vorbereitung und Ausführung dieser Stunde. Weder meinem Hauptseminarleiter noch meinem Fachleiter war Ihre Methode bekannt. Sie wollen sich nun über das Internet informieren. Einen Entwurf der Stunde lege ich Ihnen bei. Es grüßt Sie
Stundenentwurf (Anwendung der Methode LdL) in einer Lehrprobe in einem Mathematikleistungskurs 13 Thema der Reihe: Lagebeziehungen zwischen geometrischen Objekten in Punkträumen Thema der Stunde: Anwendung unterschiedlicher Überprüfungskriterien zur Untersuchung von Lagebeziehungen der geometrischen Objekte Punkt, Gerade und Ebene im dreidimensionalen Punktraum unter Anleitung von Schülern Einordnung in die Reihe
Stundenziele: Die Schüler sollen kognitive Lernziele:
sozial-affektive Lernziele:
Begründung der Stundenziele: Zum Abschluß der Reihe "Lagebeziehungen zwischen geometrischen Objekten in Punkträumen" ist es sinnvoll, sich mit einer komplexen Aufgabe zu beschäftigen, die sowohl die Lagebeziehungen aller zuvor nur in Zweierkombination aufgetretenen geometrischen Objekte als auch die unterschiedlichen Untersuchungsmöglichkeiten von Lagebeziehungen (Argumentation über LGS/Abhängigkeit von Vektoren) beinhaltet. So dient diese Aufgabe der Vertiefung des Verständnisses und der Förderung eines "beweglichen Denkens" in Bezug auf den zuvor behandelten Unterrichtsstoff. Das räumliche Vorstellungsvermögen ist nicht bei allen Schülern gut ausgebildet, so daß sie sich im Unterricht oft durch Möbelkanten etc. geometrische Probleme im Raum veranschaulichten. Deshalb soll in dieser Stunde ein Modell (gespannte Kordeln als Geraden), das einen komplizierteren Sachverhalt veranschaulicht, das räumliche Vorstellungsvermögen weiter schulen. Die Schüler dieses sehr leistungsstarken Kurses sind es gewohnt, selbstständig Problemlösungen zu erarbeiten. Aufgrund ihres großen Interesses an mathematischen Strukturen bestimmen sie den Unterricht immer wieder durch Diskussionen, die zum Beispiel veränderte Voraussetzungen oder Varianten bezüglich eines Problemlösungsverfahrens beinhalten. Dabei zeigen viele der Schüler eine große Sprach-, Sozial- und Sachkompetenz. Die heutige Unterrichtsstunde ist damit ein Schritt weiter in Richtung eines stark von Schülern gelenkten Unterrichts. Die Lehrerin wird in dieser Stunde noch weiter Verantwortung für den Lernprozeß an die Schüler abtreten (für alle schon durch ihre räumliche Position - am Rand sitzend/Schüler im Blickfeld aller agierend - sichtbar). Dies entspricht neuen Anforderungen an die Lehrerrolle: Der Lehrer als Berater und nicht als reiner Wissensvermittler. Die Schule als ein Ort in dem nicht nur Wissen gelehrt wird, sondern auch das Lernen gelehrt wird. In einer sich ständig wandelnden, zunehmend unüberschaubarer und komplexer werdenden Gesellschaft sind vielfältigere Kompetenzen erfordert als bloßes Wissen. Die Schüler müssen mehr denn je zur Bewältigung und aktiven Gestaltung dieser Umwelt befähigt werden (nach: Martin auf einem von ihm herausgegebenen Thesenpapier "Die Methode Lernen durch Lehren"). Weiter verstärkt diese Methode eines von Schülern geleiteten Unterrichts auch den Wissenserwerb. Dies vor allem auf Seiten der lehrenden Schüler. Durch Untersuchungen wurde belegt, daß durch eigenes Ausführen und Vortragen die Wahrscheinlichkeit des Behaltens sehr viel größer ist als durch reines Rezipieren. Auch auf Seiten der Lernenden kann auf Grund der ungewohnten Situation, Mitschüler als Lehrende zu erleben, eine höhere Motivation erwartet werden.
Unterrichtsverlauf 1. Stunde:
2. Stunde Die 2. Stunde steht unter Leitung der Schülergruppe, die sich in der ersten Stunde mit dem vorgegbenen geometrischen Problem beschäftigt hat.
Arbeitsauftrag: Erarbeitung einer Aufgabenstellung für eure Mitschüler Vorgehensweise: 1) Gebt einen geradlinig begrenzten Körper (z.B. Quader, Spat oder Pyramide) durch seine Eckpunkte vor. 2) Gebt nun ein weiteres geometrisches Objekt (Punkt, Gerade oder Ebene) vor, dessen gemeinsame Punkte mit z. B. einer Seite, einer Diagonalen.......des gegebenen Körpers später von euren Mitschülern berechnet werden sollen. (Hierbei müssen die geometrischen Objekte nicht unbedingt explizit durch Gleichungen angegeben werden, sondern es ist auch möglich, sie zu "verschlüsseln" wie etwa durch Angabe mehrerer Punkte oder Richtung einer bestimmten Raumdiagonalen.........Laßt eurer Phantasie freien Lauf!) Tip: Geht immer vom gewünschten Ergebnis aus. 3) Rechnet die Aufgabe und diskutiert verschiedene Lösungswege.
Arbeitsauftrag: a) Überlegt euch mit Hilfe eines Modells aus gespannten Kordeln, wieviele Geraden h es geben kann, die g1 und g2 schneiden und auf denen auch P liegt. b) Welche Lösungsmöglichkeiten existieren, um h zu ermitteln? c) Vorbereitung der zweiten Unterrichtsstunde, in der ihr mit euren Mitschülern im Unterrichtsgespräch a) und b) erarbeiten sollt. Euer Ziel soll es sein, die Mitschüler unter eurer Anleitung, aber durch ihre eigenen Denkleistungen, zur Lösung der Aufgabenteile a) und b) zu führen! Nutzt euren Wissensvorsprung also nicht zu lauter kleinen Fachvorträgen, sondern führt eure Mitschüler durch Denkanstöße und Fragen auf den richtigen Lösungsweg. Dazu müßt ihr euch die eigene Vorgehensweise bei der Lösung des Problems schrittweise bewußt machen und euch in die Situation eurer Mitschüler hineinversetzen. Drängelt auf Grund eures Vorwissens nicht, sondern laßt ihnen Zeit sich in das Problem hineinzudenken.
Falls noch Zeit bleibt: d) Berechnet h. Es ist sinnvoll, euch noch einmal aufzuteilen, um die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten auszuprobieren. |