Reflexionen über meinen Unterricht in der 13.Klasse

Eintrag 24


Jean-Pol Martin
03.12.99

Meine Arbeit im LK-13 seit dem Beginn des Schuljahres 1999/2000

 Seit dem Anfang dieses Schuljahres führe ich meinen Leistungskurs als K-13 weiter. Während die Beschreibung vom Unterricht in den Klassen 11 und 12 noch zu leisten war (eine Art Bilanz ist zu finden in dem Aufsatz „Französischunterricht als Vorbereitung auf die Arbeitswelt“), wird  eine Schilderung meiner Arbeit nun sehr schwierig, weil eine Gruppenkultur sich herausgebildet hat, die Aussenstehenden kaum noch zu vermitteln ist. 

Der geistesgeschichtliche und literaturgeschichtliche Überblick,  die Behandlung der Romantik, des Realismus, des Naturalismus und des Symbolismus sowie die Durchnahme des „Père Goriot“ sind aus meiner Sicht besser gelungen als jemals zuvor. Nicht etwa, weil meine früheren Leistungskurse „schlechter“ gewesen wären, sondern, weil ich selbst einiges verbessert habe, weil der Kurs mit 19 Schülern sehr lebendig und kreativ ist und vor allem deshalb, weil die Welt von heute dem einzelnen mehr Impulse und Möglichkeiten eröffnet als früher. 

Es gibt mehr Anregungen in der Welt, die Informationen werden schneller geholt und verarbeitet, wir werden insgesamt also klüger. Nach wie vor bin ich bei Präsentationen und Diskussionen verblüfft von der Qualität der Beiträge meiner Schüler. 

Ich bin so angetan, dass ich mich entschlossen habe, für die restlichen Monate bis zum Abitur einen Klassensatz des teuren aber schönen Bandes „Littérature du 20e siècle.- Fernand Nathan“ aus Frankreich kommen zu lassen und zu bezahlen.  Auf dem Wissenshintergrund, den sich meine Schüler über die Epochen von der der Antike bis zum 19. Jahrhundert aufgebaut haben, werde sie sicherlich in der Lage sein, die Möglichkeiten dieses sehr anspruchsvollen, attraktiven Buches auszuschöpfen. 

Aus dieser Beschreibung könnte man meinen, die Arbeit in der Klasse sei bequem! Es ist überhaupt nicht der Fall, denn die Schüler sind für ihr Alter erstaunlich unruhig und ablenkbar. Der Grund liegt aus meiner Sicht darin, dass sie ausserhalb der Schule daran gewöhnt sind, vielfältige Impulse rasch zu verarbeiten und daher nur durch besonders spannende, anspruchsvolle Inhalte zu fesseln sind. Die Gefahr der Unterforderung lauert permanent! Gelingt es, diese Energien stoffbezogen zu bündeln, so gleicht der Unterricht einem Segeln und Surfen von einer intensiven Aufmerksamkeitswelle zur anderen. 

Ein tolles Gefühl !


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