Reflexionen über meinen Unterricht in der 7.Klasse

Eintrag 5


Jean-Pol Martin

24.11.96

Letzte Woche hatte ich ein sehr interessantes Erlebnis. Zunächst muß vorangeschickt werden, daß die Kollegen meine Klasse von der Arbeitsbereitschaft und der Stimmung her als sehr unstabil betrachten. Deshalb vermeiden sie es auch, in dieser Klasse "offene" Arbeitsphasen einzubauen. Da ich von Anfang an nach LdL verfahren habe, gibt es natürlich sehr viele solche offene Momente, die bisher von den Schülern fruchtbar genutzt wurden. Allderdings: Am Anfang der letzten Woche kam ich am Montag (6. Stunde) in die Klasse mit der Absicht, die Schulaufgabe zurückzugeben. Um eine allzu langwierige Besprechung zu vermeiden, hatte ich die korrekte Fassung abgetippt und wollte, daß die Schüler in Partnerarbeit (einer stellt die Frage, der andere liefert die Lösung) die Korrektur erarbeiteten. Während dieser Phase war die Klasse für mein Gefühl zu unruhig. Da ich auf negative Entwicklungen schnell und hart reagieren möchte, unterbrach ich nach einer ergebnislosen Ermahnung den Vorgang kurzerhand und ließ 40 Minuten lang eine schriftliche Arbeit anfertigen (mit Note).

Am folgenden Tag erläuterte ich mein Vorgehen; wenn auch die Schüler Verständnis zeigten, blieb die Stimmung insgesamt angespannt und die Eskalation bahnte sich an. Ich wurde immer aggressiver und die Schüler immer renitenter. Gespräche mit Kollegen, die auch in der Klasse unterrichten, zeigten, daß "Durchgreifen" als einzige Lösung angesehen wird. Trotzdem wollte ich an meine von Anfang an gewählte Linie festhalten und LdL auch unter solchen widrigen Umständen durchhalten. Am Donnerstag verteilte ich den Stoff auf die Schüler mit der Bitte, ihn vorzubereiten. Als ich am Freitag in die Klasse kam, fand ich die Schüler wie ausgewechselt. Sie hatten hervorragende Folien angefertigt, eine Fülle von didaktischen Ideen und die Stunde, die von einer Schülerin über das Possessivpronomen gehalten wurde, war ein Genuß. Entsprechend positiv war die Stimmung, ich konnte endlich wieder loben und die Schüler suchten meine Nähe, indem sie mir immer wieder ihre Entwürfe zeigten. Das Fazit: ich war fast bereit zu kapitulieren und den LdL-Ansatz zurückzunehmen - nach dem Motto: "In dieser Klasse funktioniert LdL nicht" - als gerade durch LdL die positive Arbeitshaltung, die ich durch zu schnelles "Durchgreifen" gefährdet hatte, wieder hergestellt wurde.

16.12.96

Seit zwei Wochen bin ich sehr zufrieden mit meiner 7.Klasse. LdL läuft auf vollen Touren und die Präsentationen sind oft sehr originell. Heute hat ein Kollege, der selbst in der Klasse unterrichtet, meinen Unterricht besucht, und er war verblüfft über die Ruhe, die Konzentration, die Freundlichkeit und die Selbständigkeit der Schüler. Nach meinem zweimonatigen Kampf mit der Klasse hat der Übergang von der Fremddisziplinierung zur Selbstdisziplinierung stattgefunden. Gerade dieser Übergang scheint mir besonders interessant zu sein. Es verhält sich so, wie wenn die Schüler Gegenstand einer doppelten Strukturierung geworden wären: einmal durch die Struktur der Methode, die klare Planung und selbstdiziplinierte Haltung erfordert, zum anderen durch die Struktur des Stoffes selbst (Grammatik, Wortschatz), die sie bei ihrer Arbeit aktiv verinnerlichen müssen.

Besonders interessant erscheint mir, daß ein Kollege, der meine Klagen über die Klasse am Anfang mitbekommen hatte und selbst das "Opfer" meiner Umstellungen bei der Sitzordnung gewesen war, mir folgendes sagte: "Am Anfang fand ich diese Klasse mit der Sitzordnung im Hufeisen sehr unruhig. Die Schüler saßen sich gegenüber und die Versuchung für sie war groß, Unsinn zu machen. Aber nachdem ich wieder die alte frontale Sitzordnung eingeführt habe, sind die Schüler absolut ruhig."

Bei diesem Satz ist mir klar geworden, daß durch die hufeisenförmige Sitzordnung mein Kampf um Disziplin unvermeidbar war. Es war also wichtig, daß ich auf dieser Sitzordnung sowie auf der Durchführung von LdL trotz punktueller Schwierigkeiten bestanden habe, denn nun haben die Schüler gelernt, auch unter Bedingungen, die Unsinn ermöglichen, Disziplin zu bewahren. So erfolgte der Übergang von der Fremddisziplinierung zur Selbstdisziplinierung.

Abschließend gebe ich eine Übersicht wieder, in der die von den Schülern angewandten Präsentationstechniken zusammengefaßt sind.

PRESENTATION DU VOCABULAIRE 7b Martin (14.12.96)

Um den neuen Wortschatz vorzustellen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Hier werden die bisher von Euch benutzten (teilweise von Euch erfundenen) Verfahren zusammengefaßt:

  1. KLASSISCH Die neuen Wörter stehen auf einer Folie. Sie werden jeweils vorgelesen und es wird eine Erklärung auf französisch vom Schüler angeboten. Die anderen Schüler sollen auf die Bedeutung schließen.
  2. Z.B. un cadeau = Pour son anniversaire René donne un cadeau à Marc
  3. DIKTAT (Andreas/Mathias) Der neue Text wird vorgelesen. In Partnerarbeit werden die neuen Wörter herausgesucht. Dann wird ein Schüler an die Tafel ge-schickt. Ihm werden die neuen Wörter diktiert.
      
  4. PANTOMIME (Christiane/Sabine) Ein Schüler wird nach vorne geholt. Das neue Wort wird an die Tafel geschrieben und der Schüler stellt pantomimisch die Bedeutung dar. Die Klasse muß die Bedeutung erschließen.
       
  5. LÜCKENTEXT MIT BILDERN (Hans-Philip/Alexander) Die neuen Wörter werden nach dem klassischen Verfahren vorge-stellt. Im Anschluß wird eine Folie aufgelegt, die den neuen Text enthält. Anstelle der Wörter stehen Bilder, die die Inhalte symbolisieren.
       
  6. LÜCKENTEXT OHNE BILDER (Bernd/Stefan) Die neuen Wörter werden vorgestellt. Im Anschluß wird der Text vorgelesen, wobei die neuen Wörter beim Lesen ausgelassen werden. Die Mitschüler sollen die Lücke füllen.

TEXTARBEIT

Nach der Vorstellung des Wortschatzes gibt es mehrere Möglichkeiten, den Text einzuführen:

  1. Der Text wird zweimal vorgelesen. Ein Schüler muß den Inhalt wiederholen.
  2. Der Text wird zweimal vorgelesen. Es werden möglichst schwie-rige Fragen zu diesem Text gestellt.
  3. Der Text wird vorgelesen, die anderen wiederholen im Chor.
  4. Der Text wird zweimal vorgelesen. Beim zweiten Mal unterbre-chen die Lehrerschüler immer wieder und die anderen versuchen den Text weiterzuführen...
  5. Mit den neuen Wörtern wird versucht, einen Text zu erfinden. Der richtige Text wird erst danach gelesen.

Fragen und Kommentare: jpm@ldl.de