LEISTUNGSANFORDERUNGEN IN DER REALSCHULE - ANTRIEB ODER HEMMUNG? (oder: LEISTUNGSANFORDERUNGEN IN UNSERER GESELLSCHAFT - AUFGABE DER REALSCHULE)


Positionspapier:

  1. Paradigmenwechsel im Bereich der Bildung: Von der Vorstellung, der gebildete Mensch sei derjenige, der sich die vorgefundene Welt möglichst vollständig zu eigen gemacht hat, müssen wir uns heute verabschieden. Vielmehr zeigt sich die hochkomplexe und vernetzte Welt stets unbestimmt und offen, da wir nur einen Teil des Wissens darüber aufzunehmen in der Lage sind. Also müssen Menschen heute die Fähigkeit entwickeln, stets neue Wege in unbekannte Gebiete zu beschreiten, die zu klären sind.
  2. Dadurch verändert sich die Situation des einzelnen in einer Weise, die der Bedürfnislage des Menschen nach Sicherheit und Kontrolle (im anthropologischen Sinn) entgegensteht. Denn Unbestimmtheit schafft Unsicherheit. Gleichzeitig aber brauchen Menschen Selbstsicherheit und Vertrauen in sich und in eine äußere Sicherheit, die aber gerade nicht gegeben ist.
  3. In der Schule kann nun eine Haltung aufgebaut werden, die ich hier als „exploratives Verhalten“ bezeichne, die eben jene Sicherheit und das Selbstvertrauen entstehen läßt, wenn wir denn auf spezifische Weise mit Schülerinnen und Schülern arbeiten.
  4. Auf dieser Grundlage muß konstatiert werden, daß Leistung etwas anderes bedeutet als früher. Es geht nicht darum, immer mehr Vollständigkeit im Wissensbereich zu erlangen, also immer mehr zu wissen im Sinne eines „Kreuzworträtselwissens“ („trivial pursuit“); vielmehr muß Wissen angeeignet werden auf eine Weise, daß neben der Fachinformation das „Know-how“ darüber entwickelt wird, wie Menschen sich zukünftig stets wieder neu Wissen aneignen kann. Eine Haltung wird als Leistung deklariert, die ein großes Methodenrepertoire impliziert - einschließlich der sozialen Fähigkeiten, sich mit anderen zusammen etwas zu erarbeiten. Leistung also ist die Fähigkeit, sich möglichst selbständig und auch versiert in Teams Neues anzueigenen und handelnd damit umzugehen.
  5. Konkrete Möglichkeiten in der Schule müssen sich daran orientieren, wie schülerorientiert gearbeitet wird, auf welche Weise dem strukturierten „Stoff“ der denkende, fühlende und handelnde Mensch gegenübergestellt und in seiner Bedeutung und Beschaffenheit gesehen wird. Nur wenn der Mensch in seinen gesamten Fähigkeiten auf den „Stoff“ hin gefordert und gefördert wird, wird Leistung zur Freude auch in der Schule. Wird aber umgekehrt der strukturierte Stoff in den Vordergrund gestellt, ohne auf menschliche Bedürfnisse und gesellschaftliche Realitäten und Erfordernisse zu achten, bleibt Schulleistung eher ein Hemmnis für die persönliche Entwicklung und Entfaltung.

Dr. Margret Ruep, Stiftstr. 20, Kraichgau-Realschule, 74889 Sinsheim