LEISTUNGSANFORDERUNGEN IN DER
REALSCHULE - ANTRIEB ODER HEMMUNG? (oder: LEISTUNGSANFORDERUNGEN IN UNSERER GESELLSCHAFT -
AUFGABE DER REALSCHULE)
Positionspapier:
- Paradigmenwechsel im Bereich der Bildung: Von der Vorstellung, der gebildete Mensch sei
derjenige, der sich die vorgefundene Welt möglichst vollständig zu eigen gemacht hat,
müssen wir uns heute verabschieden. Vielmehr zeigt sich die hochkomplexe und vernetzte
Welt stets unbestimmt und offen, da wir nur einen Teil des Wissens darüber aufzunehmen in
der Lage sind. Also müssen Menschen heute die Fähigkeit entwickeln, stets neue Wege in
unbekannte Gebiete zu beschreiten, die zu klären sind.
- Dadurch verändert sich die Situation des einzelnen in einer Weise, die der
Bedürfnislage des Menschen nach Sicherheit und Kontrolle (im anthropologischen Sinn)
entgegensteht. Denn Unbestimmtheit schafft Unsicherheit. Gleichzeitig aber brauchen
Menschen Selbstsicherheit und Vertrauen in sich und in eine äußere Sicherheit, die aber
gerade nicht gegeben ist.
- In der Schule kann nun eine Haltung aufgebaut werden, die ich hier als
exploratives Verhalten bezeichne, die eben jene Sicherheit und das
Selbstvertrauen entstehen läßt, wenn wir denn auf spezifische Weise mit Schülerinnen
und Schülern arbeiten.
- Auf dieser Grundlage muß konstatiert werden, daß Leistung etwas anderes bedeutet als
früher. Es geht nicht darum, immer mehr Vollständigkeit im Wissensbereich zu erlangen,
also immer mehr zu wissen im Sinne eines Kreuzworträtselwissens
(trivial pursuit); vielmehr muß Wissen angeeignet werden auf eine Weise, daß
neben der Fachinformation das Know-how darüber entwickelt wird, wie Menschen
sich zukünftig stets wieder neu Wissen aneignen kann. Eine Haltung wird als Leistung
deklariert, die ein großes Methodenrepertoire impliziert - einschließlich der sozialen
Fähigkeiten, sich mit anderen zusammen etwas zu erarbeiten. Leistung also ist die
Fähigkeit, sich möglichst selbständig und auch versiert in Teams Neues anzueigenen und
handelnd damit umzugehen.
- Konkrete Möglichkeiten in der Schule müssen sich daran orientieren, wie
schülerorientiert gearbeitet wird, auf welche Weise dem strukturierten Stoff
der denkende, fühlende und handelnde Mensch gegenübergestellt und in seiner Bedeutung
und Beschaffenheit gesehen wird. Nur wenn der Mensch in seinen gesamten Fähigkeiten auf
den Stoff hin gefordert und gefördert wird, wird Leistung zur Freude auch in
der Schule. Wird aber umgekehrt der strukturierte Stoff in den Vordergrund gestellt, ohne
auf menschliche Bedürfnisse und gesellschaftliche Realitäten und Erfordernisse zu
achten, bleibt Schulleistung eher ein Hemmnis für die persönliche Entwicklung und
Entfaltung.
Dr. Margret Ruep, Stiftstr. 20, Kraichgau-Realschule, 74889 Sinsheim
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