90 Minuten für ein Video: vorbereiten, drehen und zeigen (28.01.96)

Hier soll beschrieben werden, wie man in kürzester Zeit ein Video mit einer Lernergruppe erstellen und den Teilnehmern gleich im Anschluß vorführen kann. Ein solches Miniprojekt eignet sich besonders in Phasen, in denen, wie z.B. vor den Ferien, die Aufmerksamkeit der Schüler nicht mehr optimal ist. Videofilme lassen sich mit Lernern jeder Alterstufe drehen.

1. Ausgangspunkt

Vor einigen Jahren habe ich eine Videokamera mit Stativ und Kassettenadapter (um den Film sofort nach dem Drehen anzuschauen) gekauft. Mein Ziel war in erster Linie, die Unterrichtsversuche der Studenten im Praktikum aufzunehmen, damit ich sie im Anschluß kommentieren kann. Die Anschaffung selbst war relativ kostengünstig (ca.1100,--DM). Voraussetzung für mich war, daß die Technik einfach zu bedienen sei. Dieser Kauf hat sich sehr gelohnt, weil ich die Kamera oft einsetze. In der Regel vertraue ich sie den Schülern an. So werden z.B. unsere Klassenfahrten nach Frankreich stets durch Schüler mitgefilmt. Im Unterricht selbst werden auch immer wieder Videosequenzen ad hoc gedreht, z.B. Schlüsselszenen aus Molière- Stücken.

2. 90 Minuten

Natürlich kann man einen Videofilm drehen, der eine Lernergruppe als Projekt länger beschäftigt. Die Gefahr besteht aber, daß nach einer gewissen Zeit die Motivation nachläßt, und das Projekt versandet oder nur noch von ganz wenigen getragen wird. Ich selbst ziehe es vor, Unterrichtsvorhaben stets zügig durchzuführen. Es hat sich folgendes Verfahren bewährt: Zum Abschluß einer größeren Lernsequenz bitte man die Schüler (oder die Studenten), in Dreiergruppen ein Thema aus dem Lernpensum der letzten Monate herauszusuchen und das Wesentliche in einem 90 Sekundenspot darzustellen. Wichtig ist, daß die Form der Darstellung medienwirksam ist (z.B. Rollenspiel, Tabelle, Zeichnung, Lied usw.). In meinen Didaktikeinführungen an der Uni beispielsweise, wo die Gruppen etwa 15 Studenten umfassen, bitte ich die Teilnehmer gegen Ende des Semesters, Spots über folgende Themen anzufertigen: 1. Grundbedürfnisse des Menschen, 2. Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, 3. Stellenwert des Französischen als Lernfach, 4. Lerntheorien, 5. Lehrwerke, etc.

Es bilden sich 5 Dreiergruppen, die jeweils ein Thema behandeln. Zur Vorbereitung und Einübung des Spots, der nicht länger als 90 Sekunden dauern darf, verfügen sie über ca. 45 Minuten. Eine Studentin bekommt die Aufgabe, den Film anzumoderieren und nach jedem Spot das Thema des darauffolgenden Spots anzukündigen.

WICHTIG IST, DASS KEINE PERFEKTION ANGESTREBT WIRD.

Dann wird gedreht: eine Studentin führt die Kamera (Knopf drücken, Zoom nach vorne, Zoom nach hinten, mehr ist nicht zu beachten). Die Dreharbeit dauert insgesamt 10 Minuten (5 Spots a 90 Sekunden). Schon kann man den Film anschauen.

Verblüffend ist, daß man in kurzer Zeit eine Fülle von interessanten Zielen erreicht hat: - alle Studenten sind angespannt und kreativ beschäftigt; - der Film wiederholt inhaltlich den Stoff von etwa 10 Sitzungen; - diese Wiederholung erfolgt handlungsorientiert; - die Beteiligten lernen, wie man filmt und sich filmen läßt; - alle sehen, daß man keine wochenlange Vorbereitung braucht, um einen Videofilm zu drehen; sie gehen bald unverkrampft mit diesem Medium um, vor und hinter der Kamera.

Als ich jüngst, direkt vor Weichnachten, den Studenten meiner "Einführung in die Didaktik" ankündigte, daß ich einen Videofilm mit ihnen drehen wollte, waren sie sehr skeptisch. Sie stellten sich auf ein längeres - vielleicht langwieriges Vorhaben ein. Zu Beginn hielt sich die Begeisterung auch in Grenzen, weil viele sich gar nicht vorstellen konnten, daß sie vor der Gruppe und noch dazu vor der Kamera bestehen konnten. Dann entwickelte sich aber eine starke Dynamik, die Einfälle sprudelten, es machte allen sichtlich Spaß. Nachdem wir das Ergebnis am Videorecorder gesehen hatten, kamen einige zu mir und fragten, ob sie eine Kopie dieses Films haben könnten!!!!

Und das Ganze hatte uns in der Tat nur 90 Minuten beschäftigt!