LdL  in Klasse 7  in Latein - ein Erfahrungsbericht

 Waltraud Beck

LdL im Fach Latein in der 7. Klasse, dem ersten Jahr der zweiten Fremdsprache, einzusetzen, scheint mir nach mehreren Versuchen geradezu ideal zu sein. Ich habe es praktiziert mit dem Lehrbuch  "Roma B" und jetzt mit  "Interesse", und  jedes Mal waren die Klassen mit Feuereifer dabei, und zwar sowohl leistungsstarke als auch leistungsschwache. Nachdem wir dieses Jahr erfolgreich abgeschlossen haben, möchte ich kurz skizzieren, welche Möglichkeiten wir bei "Interesse" gewählt haben.

Am Anfang des Jahres ließ ich die Schüler/innen bereits Vokabeln abfragen und Hausaufgaben besprechen, und ab Lektion 3 sind wir mit der gesamten Materie in LdL eingestiegen. Etwa drei Viertel der Unterrichtsstunden wurden von der Klasse bestritten. Die meisten hatten bei mir LdL bereits in der 6. Klasse in Mathematik kennenlernt, wo ich einige nicht zu schwierige Kapitel auf freiwilliger Basis von Schülern hatten einführen lassen. Die Bereitschaft war auch jetzt sofort gegeben.

Das Vokabular wurde so aufgeteilt, dass immer zwei Jungen/Mädchen ca. 10 bis 12 Wörter auf Folie schrieben und sie entweder mit Zeichnungen, mit  schon bekannten lateinischen oder mit englischen Wörtern erklärten. Der Phantasie sind generell keine Grenzen gesetzt. Manchmal erfanden sie auch eine kleine Situation, in  der das neue Wort vorkam. Das inten-sive Suchen nach einer Darstellung oder Definition erhöht auf jeden Fall den Behaltenseffekt. Dieser Teil von LdL ist, wie ich bisher in allen Klassen festgestellt habe, am begehrtesten, und man muss darauf achten, dass im Rotationsverfahren alle gleich oft diese Aufgabe übernehmen können.

Je nach Länge und Schwierigkeit werden ein oder zwei Grammatikparagraphen auf je zwei bis drei Schüler/innen verteilt, wozu auch die Übungen gehören, die sich oft anschließen.  Die Grammatik wird ebenfalls auf Folie geschrieben, wobei Mehrfarbigkeit das Verständnis erleichtert. Wer die Grammatik und wer die Übungen übernimmt, entscheiden die Kinder selbst. Auch die Kleingruppenzusammensetzung  habe ich den Jungen und Mädchen überlassen, die durchaus nicht immer dieselbe war. Wenn dann noch nicht alle mit Arbeit versorgt waren, habe ich  Übungen aus den "Grammatischen Impulsen" und/oder aus den Wortbildungs-   aufgaben im Wortschatzteil in Auftrag gegeben und manchmal auch die Übersetzung des A-Stückes: es waren nämlich in der Klasse zwei sehr intelligente Jungen, die als einzige sich nicht um die Vokabelvorstellung rissen, sondern etwas Anspruchsvolles wollten, mit Vorliebe  die Übersetzung. Häufig schrieben sie diese gleich auf Folie und gaben sie mir zur Korrektur. Andere Schüler, die einmal eine Übersetzung vorbereiteten, zogen das Heft vor und ließen mich darin verbessern. Andere Male erfolgte die Bearbeitung des A- und B-Stückes sei als Gruppen-, als Einzelarbeit, unter meiner Leitung oder als Hausaufgabe.

Nach der Aufteilung der individuellen Aufgaben machten sich alle eifrig an die Arbeit. Natürlich müssen die Schüler/innen, die die neue Grammatik bearbeiten, das Wörterverzeichnis zu Rate ziehen bzw. sich erst mit der Grammatik der vorhergehenden Paragraphen vertraut machen, wenn diese für das Verständnis ihres Parts unerlässlich sind; und schließlich ist ja immer noch die Lehrerin da, deren Hilfe man in Anspruch nehmen kann.Wenn sie etwas nicht begriffen, haben sie natürlich mich immer gefragt. Während der Erarbeitungsphase ging ich durch die Klasse und beriet und half, wo es nötig war. Bisweilen musste die Fertigstellung zu Hause erfolgen. Sämtliche Folien wurden mit vorgelegt und von mir durchgesehen.

In den folgenden Wochen wurde dann alles nacheinander abgerufen. Die Leitung einer Unterrichtsstunde übernahmen der Reihe nach immer zwei Schüler/innen, die am Anfang von mir ein Blatt mit dem Programm bekamen. Wir begannen eine Lektion mit einem Teil der Vokabeln, worauf ein Teil der Grammatik folgte. Nach der ersten Wortvorstellung fragten die beiden Schüler/innen die Klasse nochmals die gerade vorgestellten Vokabeln ab zum besseren Einprägen. Auf die Grammatikerklärung folgten meistens ein bis zwei Übungen zu dem neuen Stoff. Die Präsentation der Vokabeln vom B-Stück legten wir unmittelbar vor die Behandlung dieses Teils. Wenn für das A-Stück  die nötigen Voraussetzungen geschaffen waren, wandten wir uns diesem zu, so dass sich ein Wechsel von Vokabeln, Grammatik, Übungen und Übersetzung  ergab.

Da bei der Erklärung des Gebrauchs von Imperfekt und Perfekt in L.14 die Kenntnis der Sage wichtig war, gab ich einem Schüler ein römisches Sagenbuch mit, damit er seinen Klassenkameraden den Raub der Sabinerinnen vorher erzählte, eine Aufgabe, die er sehr gern übernahm, wie er mir versicherte.

Ein Vorteil unter vielen anderen von LdL: Wenn die Abwesenheit des Lehrers/ der Lehrerin vorher bekannt ist, kann der Unterricht auch in einer unteren Klasse trotzdem fast normal stattfinden. Zwei Schüler bekamen vorher von mir ein Blatt mit dem Organisationsplan, und sie riefen ihre Klassenkameraden auf, um die vorbereiteten Aufgaben zu leiten. Nach Aussage der Kollegen funktionierte der Schülerunterricht immer gut, und ich konnte danach mit dem Stoff  fortfahren.

Am Schluss des Schuljahres bat ich die Schüler/innen, jede/r auf einem  Blatt sich zu folgenden Fragen zu äußern:

Was finde ich gut an LdL?  Was war nicht so gut?  Was habe ich dabei gelernt?  Was könnte man besser machen?

Es empfiehlt sich, eine solche Befragung schon nach einigen Wochen vorzunehmen, denn die Auswertung ergab Kritikpunkte, mit denen ich nicht gerechnet hatte. In einer gewissen Euphorie - der Unterricht lief in dieser leistungsstarken Klasse sehr gut - hatte ich einfach nicht daran gedacht, die Schülermeinung wie in anderen Klassen, die sich schwerer tun, frühzeitig einzuholen.

Die Methode an sich wurde von niemandem in Frage gestellt. Zwei Schüler/innrn äußerten, da der Lehrer es am besten verstehe, solle er unterrichten, und zwei Schüler/innen schlugen vor, jede zweite Lektion im LdL- Verfahren zu erarbeiten.

Als positiv wurde nahezu einatimmig die Vokabelerklärung durch Bilder angesehen, weil sie ein besseres Einprägen und schnelleres Lernen zu Hause ermögliche.

Etwa die Hälfte gab an, dass sie die Grammatik leichter verstanden und behalten habe, wenn sie selbst sie den anderen erklärten musste.

Ebenfalls der halben Klasse machte LdL ausgesprochen Spaß, war interessant und machmal lustig - für ein so strenges Fach wie Latein sicher ein großes Plus! Ferner wurde als positiv vermerkt, dass man lerne, mit wachsendem Selbstbewusstsein vor der Klasse zu stehen und dass man seine Aufregung nach und nach reduziert habe.

Zwei Schüler/innen fanden gar nichts an LdL auszusetzen. Aber die Hälfte bemängelte, dass die Klassenkameraden sich manchmal zu wenig Mühe mit der Grammatikdarstellung gegeben oder sich nicht gründlich genug vorbereitet hätten, so dass die anderen erst nach meinen zusätzlichen Ausführungen oder zu Hause beim Durcharbeiten im Buch alles hundertprozentig begriffen hätten. Nur einer Schülerin sprachen sie die Fähigkeit der sehr guten Erklärung zu. Ein Mangel der Methode sei es (eine Stimme) auch, dass der besondere Lerneffekt nur für dasjenige gegeben sei, das man selbst vorstellen müsse.

Mit so starker Kritik an den Grammatikpräsentationen der Schüler-Lehrer hatte ich nicht gerechnet, zumal da die Vorbereitungen fast durchweg im Unterricht stattfanden, Fragen dabei an mich gestellt wurden und nach jedem vorgeführten Paragraphen die Jungen/ Mädchen sich erkundigten, ob wirklich alle alles verstanden hätten. 

Da auf Wunsch  der Klasse die Blätter gleich nach Fertigstellung von zwei  Schülerinnen laut verlesen wurden, erörterten wir diesen Punkt. An Verbesserungsvorschlägen, die z.T. auch schriftlich erschienen, wurde geboten:

Nur diejenigen, die gut Grammatik erklären könnten, sollten diesen Teil übernehmen,  oder:

Vor der Präsentation sollte eine eingehende Besprechung der Schüler-Lehrer mit dem/der Lehrer/in erfolgen, und schließlich wurde empfohlen, die Klassenkameraden sollten mehr Mut entwickeln, nicht aufhören zu fragen, bis wirklich alles klar geworden sei.

Was den zweiten Vorschlag betrifft: die eingehende vorherige Beratung fand teilweise statt, hat aber in manchen  Fällen die Schüler-Lehrer trotzdem nicht zu einer gut verständlichen Darstellung befähigt; dazu gehört offenbar doch ein gewisses Talent, was mich stark an den Mathematikunterricht erinnert: Aus meiner Klassenlehrertätigkeit und als Mutter habe ich  oft Klagen gehört, dass man die Mathematiklehrer einteilen müsse in solche, die erklären und solche, die es nicht könnten. Wie sollen dann ungeübte Schüler die schwere Kunst des Erklärens verstehen?!

Das Hauptproblem war also in dieser Klasse bei LdL die Grammatik. Eigentlich habe ich es stets für das Beste gehalten, möglichst jeden einmal mit jeder Art von Aufgabe zu betrauen. Wie ich nun gesehen habe, ist es besser, hier anders zu verfahren, denn gute Grammatikerklärungen sind von einigen Schüler/innen nach ihrer Fähigkeit nie zu erwarten, werden auch nicht so gern von ihnen gemacht, aber von den meisten als sehr wichtig angesehen. Die weniger Begabten dürften also in Zukunft nur z.B. Deklinations- oder Konjugationsschemata zu bearbeiten bekommen oder Übungen, und Grammatikpräsentation bleibt denen vorbehalten, die entweder sowieso gut erklären können oder es zumindest mit Hilfe des Lehrers schaffen. Zudem muss die Klasse immer wieder ermuntert werden, nicht mit Fragen zu sparen.

Diese Befragung war recht instruktiv und hilfreich für die weiteren Stunden mit LdL bei diesen aufgeweckten und kritischen Schüler/innen.                                                          

Generell halte ich es für  sehr empfehlenswert, in jeder Klasse von Zeit zu Zeit gemeinsam über den Fortgang   des Unterrichts zu sprechen.        

Waltraud Beck
73525 Schwäbisch Gmünd
 
Juli 2000