Auburger, Inge, Goethestraße 20, 92284 Poppenricht
F/E Gy
Unterrichtsmethoden entwickeln sich weiter - Lehrkräfte bilden sich fort:
"Lernen durch Lehren"
Schüler als Lehrer?
Ja, das gibt es wirklich! Seit etwa zwei Jahren schlüpfen immer wieder
Schülerinnen unserer Schule in die Lehrerrolle und unterrichten ihre Mitschülerinnen.
Wie sieht das konkret aus, z.B. im
Englischunterricht?
Die Schülerinnen können verschiedene Teile des
Unterrichts übernehmen. Aktiv werden können sie etwa bei der Verbesserung der
Hausaufgabe. Eine Schülerin schreibt die Hausaufgabe auf Folie und bespricht sie in der
folgenden Stunde mit der Klasse. Oder eine Workbookfolie wird ausgefüllt und der Klasse
präsentiert. Gemeinsam wird nach Fehlern gesucht: wenn es Unklarheiten gibt, greift die
Lehrkraft ein.
Eine andere Möglichkeit ist, Diktate an die Schülerinnen abzugeben,
sei es dass sie selbst Diktate entwerfen oder selbst diktieren. Wenn zu leise oder zu
schnell gesprochen wird, dürfen die Schülerinnen jederzeit mit englischen Redewendungen
intervenieren, z.B. "Speak a little bit louder, please." oder: "Not so
fast, please."
Zudem lernen sie, sich auf eine andere Stimme als die der Lehrkraft
einzustellen, was der realen Situation im Ausland nahekommt, denn in England, den USA und
Frankreich hat man es auch mit verschiedenen Sprechern und Sprechweisen zu tun und muss
sich darauf einstellen.
Fortgeschrittene Schüler in LdL (= Lernen durch Lehren) können auch
die Neudurchnahme von Textabschnitten einschließlich Wortschatz und Grammatik
übernehmen. In Partnerarbeit und mit guter zeitlicher Vorgabe bereiten sie den Stoff auf
und präsentieren ihn der Klasse. Zunächst führen die Schülerinnen den neuen Wortschatz
ein und erklären ihn z.B. durch Zeigen von Gegenständen, Zeichnungen an der Tafel,
Vorspielen von Tätigkeiten und Situationen oder durch einsprachige Erklärungen. Dabei
entwickeln die Schülerinnen oft erstaunliche Kreativität. Als nächstes wird der Text
durch Vorlesen oder durch das Vorspielen der Kassette präsentiert. Anschließend wird der
Text von der Klasse gelesen, den Abschluss bilden in der Regel Aufgaben zum
Textverständnis und/oder zum neuen Vokabular. Hierzu entwickeln die Schülerinnen
besonders gerne Lückentexte, right/wrong-Aussagen, Kreuzworträtsel und attraktive
Wortschatzspiele.
Welche Rolle übernimmt der Lehrer?
Die Lehrkraft ist im Hintergrund immer bereit,
einzugreifen, wenn es nötig ist. Dies gilt sowohl für Fehlerkorrektur als auch für das
Sozialverhalten. Wenn Schüler nicht höflich genug miteinander umgehen, muss ihnen das
Fehlverhalten klargemacht werden.
Außerdem ist es sehr wichtig, die Stundenentwürfe der Schüler vor
der Präsentation durchzusehen und zu besprechen, um Pannen während der Stunde möglichst
zu vermeiden. Auf jeden Fall muss vorher die Aussprache der neuen Vokabeln geklärt
werden, damit kein falsches Lautbild eingeübt wird, das schwer wieder zu korrigieren ist.
Wozu überhaupt
"LdL"?
Im traditionellen lehrergesteuerten Unterricht kommt der
einzelne Schüler pro Unterrichtsstunde vergleichsweise selten zu Wort. Bei LdL nimmt sich
der Lehrer zurück, damit die Schüler aktiver werden können und gerade in der
Fremdsprache mehr Möglichkeit zum Sprechen erhalten.
LdL-Schüler werden dazu angeregt, ihre Kreativität zu entfalten und
problemlösend zu denken. Mit der Zeit entwickeln die Schüler größeres
Selbstbewusstsein und wachsen an ihren neuen Aufgaben. Es bereitet ihnen Freude, zunehmend
besser mit dem Overheadprojektor, der Tafel und dem Kassettenrekorder umgehen zu können.
Auch daraus entsteht Selbstvertrauen. Sie lernen durch Hinweise des Lehrers, deutlich und
hörbar zu sprechen und dabei die Klasse anzusehen, um Reaktionen auf ihre Darbietung
wahrzunehmen.
Da die Texte und Übungen in Partner- bzw. Gruppenarbeit erschlossen
werden, kann durch die Zusammenarbeit mit anderen das Sozialverhalten und die
Teamfähigkeit gefördert werden. Die Schüler lernen, sich abzusprechen und Aufgaben zu
teilen.
Durch die Übernahme eines Teiles der Lehrfunktion übernehmen die
Schüler Verantwortung, woraus sich die Verpflichtung ergibt, den Stoff gründlich und
gewissenhaft vorzubereiten. Die letzte Verantwortung dafür, dass wirklich alle wichtigen
Lernziele erreicht werden, trägt weiter die Lehrkraft.
Nicht vergessen sollte man, dass durch die selbständige und intensive
Auseinandersetzung mit dem Stoff ein hoher Behaltenseffekt gefördert wird: Was man sich
selbst erarbeitet und anderen erklärt, merkt man sich am besten.
Alles in allem werden durch LdL nicht nur die fachlichen Ziele
erreicht, sondern in besonderem Maße fächerüberreifende Fähigkeiten und
Schlüsselqualifikationen erworben.
Wie lernen die
Lehrkräfte, mit der neuen Methode umzugehen?
In diesem Schuljahr gab es zwei LdL-Fortbildungen an
unserer Schule:
Am 6. März fand ein LdL-Regionaltreffen mit Informationen zu den
Fächern Englisch, Deutsch und Französisch statt, wobei Schülerinnen der Klasse 6b mit
sichtlicher Freude und Motivation verschiedene Einsatzmöglichkeiten von LdL im
Englischunterricht demonstrierten. Das Treffen wurde von Lehrkräften unserer Schule und
von Kollegen der Nachbarschulen gut besucht.
Jean-Pol Martin, ein Eichstätter Fachdidaktiker, der LdL entwickelt
hat und sich sowohl wissenschaftlich-theoretisch als auch praktisch mit der Erforschung
von LdL befasst, stellte seine Methode am 22. April anhand eines Videos und einer
Unterrichtsdemonstration in Französisch mit der Klasse 10a, die noch keine
LdL-Erfahrungen hatte, vor. In der anschließenden Diskussion kamen nicht nur die
anwesenden Lehrkräfte, sondern auch die beteiligten Schülerinnen zu Wort. Sie äußerten
sich zustimmend und waren interessiert.
In welchen Fächern kann LdL angewendet
werden?
Im Prinzip eignet sich jedes Fach. Besonders sinnvoll
ist LdL in den modernen Fremdsprachen da die Sprachaktivität bei den Schülern deutlich
höher liegt.
Jedenfalls sollten sich Kollegen einer Klasse, die LdL praktizieren
wollen, absprechen, damit die Schüler nicht durch gleichzeitigen Einsatz in mehreren
Fächern überfordert werden. Für die Schüler bedeutet LdL etwas größeren zeitlichen
Aufwand als traditioneller Unterricht.
Wie reagieren unsere Schülerinnen auf
LdL?
In diesem Schuljahr praktizierte ich LdL vor allem in
der 6b, aber auch ansatzweise in der 5b. Beide Klassen übernehmen ihre neuen Aufgaben
gerne und zuverlässig, wofür ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Auch
von Kolleginnen, die LdL in ihren Klassen anwenden , höre ich Positives. Das sind alles
in allem gute Zeichen, die zum Fortführen der Methode ermutigen.
Inge Auburger, Studienrätin z.A.
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