Reflexionen über meinen Unterricht in der 7.Klasse

(Jean-Pol Martin, 5.10.96)


Seit Beginn dieses Schuljahres unterrichte ich in einer 7. Klasse (math./naturwissenschaftlicher Zweig) Französisch als erste Fremdsprache. Es sind 30 Schüler. Eine 7. Klasse habe ich zum letzten Mal vor 16 Jahren unterrichtet. Diese hier mit 24 Jungen und 6 Mädchen ist besonders ablenkbar. Daß die Klasse sehr unruhig ist, wird Gott sei dank von den Kollegen bestätigt, so daß ich mir persönlich nichts ankreide. Ich freue mich sogar, daß ich mit ihnen bisher - nach einigem Durchgreifen - gut zurecht komme.

1. Die Sitzordnung:
Als erstes wurde die frontale Sitzordnung geändert. Es sollten 10 Schüler quer links, 10 frontal und 10 quer rechts sitzen. Ich habe die gewünschte Anordnung an die Tafel gezeichnet. Dann ließ ich die Schüler ihre Tische und Stühle so rücken, daß diese Anordnung innerhalb von 30 Sekunden realisiert wurde. Bereits beim ersten Mal gelang es. Aber der Lärm dabei war noch zu groß. Sofort ließ ich den Vorgang wiederholen. Beim zweiten Mal war es leise, und sie benötigten nur noch 20 Sekunden. Die Schüler haben inzwischen die anderen Lehrer gebeten, diese Sitzordnung zu behalten und nach einem Umstelltest waren die meisten Lehrer einverstanden. Auch unser Hausmeister wurde durch ein besonders erfolgreiches Umstellungsmanöver (17 Sekunden) überzeugt.

2. Der Einstieg:
Nachdem ich in den beiden ersten Stunden das "Sich-Vorstellen" eingeführt und eingeübt hatte, ließ ich in Dreiergruppen kleine Dialoge verfassen und auswendig lernen zum Zweck der Vorführung vor der Klasse. Ich beobachtete, daß in jeder Gruppe nur einer für alle anderen schrieb, so daß die anderen unbeschäftigt waren. Also: 1. Regel: in der Gruppenarbeit schreiben alle den Text mit. Auch wenn es sich um einen gemeisamen Text handelt.
Dann beobachtete ich, daß in einer Gruppe nicht konzentriert gearbeitet wurde. Da die Aufgabe doch recht anspruchsvoll war (Text frei und publikumsbezogen vortragen - und das nach erst zwei Unterrichtsstunden) wußte ich, daß dies ohne gute Vorbereitung nicht gelingen konnte. Ich kündigte an, daß die Präsentation vor der Klasse benotet werde. Sofort erhöhte sich die Konzentration und der notwendige Druck war hergestellt. Zur Abrundung bekam ein Schüler der ersten Gruppe gleich eine 5, so daß die Schüler seitdem bei Partnerarbeit und Kleingruppenarbeit ihre Aufgaben zu meiner Zufriedenheit erledigen. Also: 2. Regel: die in Gruppen erstellte Arbeit muß verbindlich ausgewertet werden. Wenn die Arbeitshaltung im Laufe der Zeit zufriedenstellend wird, muß der Druck reduziert werden (vor allem, was die Noten betrifft).

3. Abfragen und Leistungskontrolle:
Am Anfang der Stunde frage ich NICHT ab, sondern ich teile einen kleinen Test aus (8 Minuten), sammle alle Blätter ein und korrigiere sie. Auch die Hausaufgaben sammle ich ein. Auf diese Weise lerne ich die Schüler (mit ihren Stärken und Schwächen) schnell kennen. Eine Extemporale habe ich bereits gehalten.

4. Druck und Entspannung:
Da die Klasse sehr unruhig ist (aber nicht böswillig) darf ich nicht nur Druck ausüben, sondern ich muß sie auch sinnvoll und viel beschäftigen. Und da hilft mir LdL sehr. Es reicht nicht aus, wenn ich durch Druck Abgleiterscheinungen unterbinde. Ich muß vielmehr Räume eröffnen, wo die Schüler sich positiv einbringen können. Nachdem ich die "Expressions utiles" ausführlich besprochen und eingeübt habe, hole ich bei jeder Gelegenheit Schüler nach vorne, um eine Übung zu leiten, ein Diktat zu halten, die Hausaufgaben zu korrigieren. Allerdings ist es sehr wichtig, daß ich darauf dränge, daß die agierenden Schüler wirklich laut und deutlich sprechen, die anderen anschauen und loben, selbst attraktiv wirken. Gestern habe ich beispielsweise einen Repetenten gebeten, nach vorne zu kommen und mit den anderen die Aussprache der Zahlen (1 bis 20) im Chor zu üben. Er sagte die Zahl vor und ließ die anderen mit entsprechender Gestik (die ich ihm beigebracht hatte) die Zahl wiederholen. Das funktionierte hervorragend. Den Schüler konnte ich loben und er war zufrieden. Mit LdL kann ich die Stärken der einzelnen schnell erkennen und sie immer mehr in den Unterrichtsprozeß einbinden, bevor sie aus Langeweile anfangen, den Unterricht zu stören.

NATÜRLICH KLINGT DAS ALLES GANZ TOLL! ABER: WARTEN WIR ES AB! ES IST NOCH LANGE NICHT GEWONNEN!


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