Auswertung der „Beschäftigungsperspektiven der Absolventen des Bildungswesens“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (Heft 45 der Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung)


In dieser Studie werden Modellrechnungen erstellt, die auf der Basis der Entwicklung der vergangenen Jahre hochrechnet, welche zukünftigen Berufsqualifikationen benötigt werden. Aus den Ergebnissen werden Folgerungen für die Erfordernisse der Bildungspolitik gezogen.

Allerdings wird darauf verwiesen, daß zukünftige politische Veränderungen sowie Strukturbrüche - etwa im wirtschaftlichen Bereich - nicht einberechnet werden können. Es wird außerdem auf die Problematik von Modellrechnungen innerhalb des Systems der sozialen Marktwirtschaft hingewiesen.

Modellhaft werden folgende Trends hochgerechnet:

  • Zunahme der Berufe im Dienstleistungssektor
  • Abnahme der Berufe im Produktionsbereich
  • Besonders starke Zunahme der Berufe im Bereich Maschinen/Anlagen steuern sowie im Bereich Ausbilden/Beraten/Informieren; dies betrifft diejenigen Berufe, die auf der Grundlage einer Allgemeinbildung innerhalb der Sekundarstufe I plus beruflicher Ausbildung erfolgen können. Erforderlich werden auch berufliche Ausbildungen in den Bereichen Gesundheit und Pflege, Bildungswesen, Staatliche Verwaltung.
  • Anstieg der Frauenarbeit
  • Anstieg der Arbeitskräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung; hier wird der Bereich der Nachqualifizierung als Bedarf konstatiert.
  • Defizit im Jahr 2000 bei Berufen auf der Grundlage des mittleren Bildungsabschlusses.
  • Rückgang des Bedarfs bei Personen ohne formalen Abschluß.

Ergebnis allgemein/Forderung an die Bildungspolitik:

Der Bedarf besteht zunehmend im Bereich einer mittleren allgemeinen Schulbildung, die die Voraussetzung bietet für die gefragte berufliche Bildung.

Die Politik soll in den Schulen für folgende Ergebnisse Sorge tragen:

  • Integration von allgemeiner und schulischer Bildung/Vorbereitung in den Schulen auf Berufsfelder durch Information und entsprechendes Fächerangebot sowie die Zusammenarbeit mit dem beruflichen Sektor (Arbeitsamt/Experten etc.)
  • Entwicklung von Schlüsselqualifikationen bereits in den Schulen: Ganzheitliche Methoden, Organisationsfähigkeit, Beherrschung der Kulturtechniken, Vernetzendes Denken, Soziale Kompetenz, Kritikfähigkeit.
  • Elementare Kenntnisse über Wirtschaft, Technik, Haushalt, Ökologie, soziales Umfeld, Arbeitswelt.
  • Demokratiebewußtsein und politische Handlungsfähigkeit.

Folgerungen für die Realschule:

Nach meiner Einschätzung liegt der fortgeschriebene Bildungsplan der Realschule optimal in diesem Trend. Sowohl die fachlichen Ansprüche wie auch die Forderung nach vernetzendem Denken oder Teamarbeit sind hier berücksichtigt und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht.

Die Berufsorientierung ist durch BORS (Berufsorientierung an Realschulen) ein integratives Thema, sowohl was die Inhalte und Fächer als auch was die personelle Vernetzung und die Praxis betrifft. Die Verbindung von allgemeiner und beruflicher Bildung wird hier bereits angeboten.

Durch den Wahlpflichtbereich, die Fächer Mensch und Umwelt wie Natur und Technik betreffend, aufbauend auf dem Fach Technik, ist der Ansatz von beruflicher und allgemeiner Bildung ebenso mitgedacht wie dies Fächer sind, die durch die Studie als besonders zukunftsorientiert herausgestellt werden.

Ebenso wird die Mädchenbildung - gerade im naturwissenschaftlichen Bereich - im Bildungsplan der Realschule wie in der Studie betont.

Es gilt, für die Weiterentwicklung der Realschule bei weiter fortzuschreibenden Bildungsplänen an dieser Entwicklung dranzubleiben und auf Veränderungen entsprechend zu reagieren.

Aus meiner Sicht sind folgende Bereiche weiterhin zu stärken bzw. zu verändern:

  • Natur und Technik sowie Mensch und Umwelt für alle Schülerinnen und Schüler (wenigsten eine Zeitlang).
  • Berufsorientierung (Festigung, Fortschreibung)
  • Weiterhin starke oder noch stärkere Betonung der Bereiche Wirtschaft, Recht und moderne Technologien, auch Fremdsprachen
  • Emanzipation der Mädchen beibehalten, eventuell stärken durch gleichgeschlechtlichen Unterricht in den Naturwissenschaft (der Bedarf dürfte bei Jungen hier im sprachlichen/fremdsprachlichen Bereich liegen)
  • Kulturtechniken eher stärken (Deutsch, Mathe, Fremdsprachen nicht weiter kürzen, damit die Qualität nicht zurückgeht, Computertechnik in diesen Bereich mit aufnehmen).
  • Sozialkompetenz weiterhin als notwendiges Ziel bewußt machen; dies gilt auch für methodische Fertigkeiten und Kenntnisse.
  • Der Begriff „Unterricht“ muß m.E. erweitert bzw. ersetzt werden durch den Begriff „Organisation von Lernprozessen“. Letztere können in anderen Strukturen erfolgen als in 45-Minuten-Stunden hinter geschlossenen Türen.
  • Offenheit der Schule für das äußere Umfeld: Eltern, Berufswelt, Institutionen etc. ist notwendig. Hier vor allem müssen die Ergebnisse solcher Studien ins Bewußtsein der Lehrerinnen und Lehrer, aber auch der Bildungspolitiker für entsprechende politische, die Schulstruktur betreffende Entscheidungen.

Noch stärkeres Bewußtsein an den Schulen für die Notwendigkeit von über „Unterricht“ hinausgehendes Schulleben als Übungsfeld für demokratisches Verhalten, das nicht nur über kognitive Prozesse erkannt, sondern als Erfahrung trainiert werden muß.


Dr. Margret Ruep, Stiftstr. 20, Kraichgau-Realschule, 74889 Sinsheim