LdL (Lernen durch Lehren) im Mathematikunterricht der Grundschule (Bericht 2)
 

Dezember 1999

Erfahrungsbericht von Peter O. Chott

Abstrakt: Im Anschluss an die Versuche in der 3. Klasse, wurde im 4. Schuljahr mit derselben Grundschulklasse eine neuerlicher Versuch, im Sinne der MARTIN‘schen LdL-Methode zu arbeiten, gestartet. Es ging um das Lösen von Sachaufgaben, die bekanntermaßen vielen SchülerInnen Schwierigkeiten bereiten.

Zur Klassensituation:
Die SchülerInnen dieser 4. Grundschulklasse zeigen -nach wie vor- ein heterogenes Leistungsbild. Das heißt in der ausgewählten Klasse sind von insgesamt 26 SchülerInnen 2 bis 3 Kinder mit sehr guten, 3 bis 4 mit guten und 3 bis 5 mit schwachen, die übrigen SchülerInnen mit mittleren Mathematikleistungen vorhanden. Alle Kinder verfügen über so viel Sprachkompetenz, dass sie –d.h. auch die 6 Ausländer- bzw. Aussiedlerkinder- dem Unterricht in deutscher Sprache im Wesnetlichenn folgen können. Die SchülerInnen haben Vorerfahrungen mit Gruppen-, Frei- und Stationenarbeit, mit dem Metathema 'Lernen lernen' und -in begrenztem Maße- seit dem vergangenen Schuljahr mit LdL (vgl. Bericht 1)
 

Zum methodischen Vorgehen:
Den SchülerInnen wurde und wird während der vergangenen eineinviertel Schuljahre durch diverse Maßnahmen die Einstellung nahegebracht, dass mathematische Text- bzw. Sachaufgaben in jedem Fall ein Stück weit von jedem/jeder Lernenden bewältigbar ist. Diese Einstellung wurde durch Meta-Gespräche und durch Thematisierung der einzelnen Probleme von Sachaufgaben (wie z.B. Finden des Themas, der mathematisch interessanten Informationen, der Lösungshilfen im Sinne des Lernenlernens/Lernenlehrens) im Unterricht zu fördern versucht.
Bei dem neuerlichen Lehrversuch im Sinne der LdL-Methode wurden die Kinder seitens des Lehrers auf die Versuchssituation eingestimmt. Als Ziel steckte man sich die Lösung diverser Sachaufgaben. Die auf einem Blatt gegebenen Sachaufgaben sollten nach und nach so gelöst werden, dass jeder Schüler (damit sind natürlich die Lernenden beiderlei Geschlechts gemeint) die Lösung verbalisieren und rechnerisch durchführen kann. Als neue Methode wurde die "Jäger-Methode" vorgestellt. Jeder Schüler ist -so die grundschulgemäße Erklärung des Lehrers- "auf der Jagd" nach der Sachaufgabenlösung. Schafft er die Erlegung des "Hasen" (= der Lösung der Rechenaufgabe) nicht alleine, tut er sich mit seinem Nachbarn, einem zweiten "Jäger" zusammen. Beide "Jäger" tauschen sich darüber aus, was sie bisher zur Lösung der Aufgabe gefunden haben. Kommen auch diese beiden "Jäger" nur ein Stück weit, so schließen sie sich mit einem anderen suchenden "Jägerpaar" zusammen und tauschen sich wiederum aus, um schließlich zur Lösung der Aufgabe zu kommen. Viele "Jäger" (Lernende und deren Wissen) sind so des "Hasen" (der Rechenaufgabe) "Tod" (= Lösung)! Es ist bei diesem methodischen Vorgehen den Lernenden möglich, sich frei im Raum zu bewegen. Als Bedingung wurde eine leise Arbeitsweise erkannt. Ebenso wurde daran erinnert, dass die Helfenden (die Schüler, die der Lösung näher sind) den Hilfesuchenden nur jeweils einen Schritt der Lösung erklären sollten und sich immer wieder versichern sollten, ob von den Hilfesuchenden auch das Richtige gemacht wird.
Die Klasse arbeitete ruhig und hielt sich diszipliniert an die ausgemachten Vorgaben. Es schlossen sich unterschiedlich viele "Jäger" zu "Jagdgemeinschaften" zusammen: eine Sechsergruppe, drei Vierergruppen, eine Dreiergruppe, zwei Zweierteams. Ein Schüler arbeitete zunächst kurz mit seinem Nachbarn und nachdem sich dieser einem Zweierteam angeschlossen hatte, allein weiter. Die reine Arbeitszeit betrug 25 Minuten. Am Ende wurde im Klassenplenum die Lösung der ersten Sachaufgabe verbalisert, wobei die Lehrkraft darauf achtete, dass sich die eher schwachen Schüler äußerten. Diese Evaluation ergab, dass die befragten Schülerinnen und Schüler sowohl über das Rechenproblem als auch über die mathematische Bewältigung Auskunft geben konnten. Alle Lernenden, bis auf einen, der sich etwas spät für einen Zusammenschluss entschloss, hatte die Lösung der Aufgabe im Heft stehen.
In der Schlussbesprechung auf der Metaebene (des Lernenlernens) wurden die Schülerinnen und Schüler gefragt, ob ihnen die "Jäger-Methode" die Lösung der Aufgabe "gefallen" hätte. Die Schüler antworteten, dass sie dieses Vorgehen sehr gut fanden, da sie sich sicher gefühlt hätten. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass der zweite, dritte... "Jäger" eben schneller zur Stelle sei, als sonst der Lehrer und dass dadurch sie schneller zum Ziel gekommen seien. Eine ganze Reihe von Schülerinnen und Schülern hatte schon zwei oder drei Sachaufgaben gelöst. Ebenso war zu beobachten, dass die Kinder -wenn sie sich nicht im Gedankenaustausch mit anderen befanden- selbstständig rechneten und das sonst in Einzelarbeit übliche "Abgucken" gänzlich wegfiel. Am effektivsten schienen die Gruppen bzw. Partnerschaften zu arbeiten, die leistungsmäßig relativ homogen zusammengesetzt waren. Entscheidend dürfte für die anderen "Jagdgemeinschaften" sein, durch die Evaluationsphase den Schülerinnen und Schülern klar zu machen, dass sie sich nicht auf die Leistungsstärkeren verlassen dürfen, sondern, dass jede(r) Lernende selbst in der Lage sein muss, beispielsweise die für die Lösung der (2.) Sachaufgabe relevante Rechnung 2700 : 5= (momentan noch halbschriftlich) lösen zu können.

In summa begründen die Ergebnisse dieses Versuchs die Absicht, die 'Jäger-Methode' erneut im Mathematikunterricht anzuwenden.

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zum Erfahrungsbericht Nr. 3 (Februar 2000)

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