Reflexionen über Fragen der Forschung
Jean-Pol Martin (04.10.98)


Eintrag 11

1. Forschungsschwerpunkte

  • Während der Sommerferien habe ich mich bemüht, mein Konzept der Schulklassse als "Betrieb" soweit auszuformulieren, dass er wissenschaftlich nachvollziehbar wird. Das Ergebnis ist zu lesen in:
       
    Martin, Jean-Pol (1999): Schulklasse als Betrieb: zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt in der gymnasialen Oberstufe, In: Hemmer, I./Selzer, H.M. (Hrsg.)(1999): Schule der Zukunft - Über Fachdidaktiken an der KUE. Dettelbach: Röll Verlag

 

  • Darüber hinaus habe ich mich intensiver mit dem Flow-Effekt befasst. Wenn ich mein eigenes Leben betrachte, stelle ich fest, dass es mir deshalb so viel Spaß macht, weil ich in den einzelnen Bereichen eine Mischung von Anspruch und Kontrolle erlebe: in den Ferien beispielsweise bin ich relativ viel gesegelt, und zwar auf einem "Laser", also einer Art verbessertem Surfbrett. Das Boot kann beherrscht werden, aber jede Unaufmerksamkeit führt unweigerlich zum Kentern (was ärgerlich, aber weiter nicht schlimm ist). Dasselbe gilt für den Unterricht. Sowohl in der 7.Klasse vor zwei Jahren, als auch letztes Jahr in der 11. und dieses Jahr im Leistungskurs stellt sich immer wieder ein Flow-Effekt ein. Ich freue mich sehr auf die Stunden, weil ich gut vorbereitet bin und (aus meiner Sicht) spannende Ideen habe, aber ich kann jederzeit "kentern". Dies betrifft natürlich auch die zahlreichen Auftritte vor Publikum im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen. Weil Flow-Erlebnisse das Leben richtig lebenswert machen und zum Handeln motivieren, möchte ich natürlich den Menschen, die mit mir zu tun haben, Flow-Erlebnisse verschaffen - das sichert mir wiederum, dass sie bei mir bleiben, und mir meine "flashs" verschaffen, usw. Daher baue ich das explorative Verhalten der Schüler aus und führe sie in Situationen, in denen sich der Flow-Effekt einstellen kann, beispielsweise bei Frankreichreisen oder bei Auftritten vor Lehrern. Dazu habe ich ebenfalls einen kleinen Aufsatz verfasst:
       
    Martin, Jean-Pol (1999): "Lernen durch Lehren" - eine Unterrichtsmethode zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt (Wird voraussichtlich in einer Publikation des Arbeitskreises Gymnasium-Wirtschaft in Bayern veröffentlicht).

 

2. Fortschritte des Projektes

  • Die Methode LdL scheint - zumindest im Süddeutschen Raum - allgemein bekannt zu sein. Zur Intensivierung der Rezeption hat sicherlich die LdL-Homepage beigetragen. Es hat sich gelohnt, an dem Thema "LdL" zu bleiben und kontinuierlich an der Entwicklung des Ansatzes weiterzuarbeiten. Neulich teilte mir nach einem Vortrag in Bad Königshofen ein Kollege mit, er habe mich bereits vor zehn Jahren in Dillingen erlebt und habe damals gemeint, dieses LdL sei "Käse". Aber seit drei Jahren praktiziere er die Methode mit viel Freude und Erfolg! Auch der Schulleiter in Bad Königshofen ermutigte mich, weiter durchzuhalten! Karrieretechnisch war dieses Beharren zwar fatal, denn bei meinen Bewerbungen auf Professuren konnte jeder einwenden, ich sei zu einseitig, aber in Bezug auf die konkreten Praxisauswirkungen ist das natürlich traumhaft.
  • Das Kontaktnetz als Fortbildungs- und Forschungsstruktur ist ständig bedroht. Während ich meine Unterrichtsforschung im Klassenzimmer ohne Hilfe von Aussen durchführen kann, bin ich beim Projekt "Kontaktnetz" stets auf Unterstützung angewiesen, sei es in Bezug auf die finanziellen Mittel, sei es in Bezug auf die Personen, die mich begleiten (Kerngruppenmitglieder, Teilnehmer des Kontaktnetzes). Im Augenblick habe ich das Gefühl, dass die Mitgliederzahl zurückgeht. Das kann an dem allgemeinen üppigen Angebot an alternativen Methodenansäntzen liegen, das kann darin liegen, dass meine aktuellen Vorschläge (Schulklasse als Betrieb) dem einzelnen Lehrer nicht umsetzbar erscheinen. Schließlich kündigen auch Kollegen ihre Mitgliedschaft mit dem Argument, die Materialien und Briefe seien ohnehin aus der Homepage zu holen. Hier müssen wir uns etwas einfallen lassen, denn das gesamte Projekt lebt ja aus dem Kontaktnetz heraus!
  • Schließlich glaube ich, dass auch meine eigene Unterrichtsforschung bisher ein Element für den Erfolg des Projektes darstellte. Zur Zeit verfolge ich den Ansatz "Schulklasse als Betrieb". Zwar bin ich überzeugt, dass er in eine richtige, innovative Richtung geht. Aber im Gegensatz zu LdL ist die Idee nicht sofort einsichtig und umsetzbar ist, so dass meine Unterrichtsforschung die Attraktivität des LdL-Projektes für viele Kollegen im Augenblick nicht wesentlich erhöht. Die weitere Innovation stellt die Einrichtung der LdL-Homepage als Forschungshomepage dar. Auch dieser Ansatz enthält zukunftsweisende Elemente. Nun ist die Pflege der Homepage sehr arbeitsintensiv. Da meine zahlreichen Versuche, Wissenschaftler oder Institutionen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen immer wieder scheitern, frage ich mich, wie lange die Homepage weitergepflegt werden kann...

Das sind die Probleme, die mich gegenwärtig in Bezug auf die Zukunft des Projektes beschäftigen.


Fragen und Kommentare: jpm@ldl.de Zum Überblick: 'Jean-Pol Martins Tagebuch'

siehe auch aktuelles Tagebuch: Reflexionen über  meinen Unterricht in der 12.Klasse